Ein kleines Stück Istanbul
Wer in Istanbul war, kennt das Gefühl: mittendrin zu sein. Umgeben von Menschen, Geräuschen, Gerüchen. So enorm viele Eindrücke, die auf einen herabrieseln, dass man sich nicht – und zu kaum einem Zeitpunkt – vollkommen konzentrieren kann.
Die Stadt am Bosporus pulsiert, sie ist bunt, chaotisch und geradezu atemberaubend schön. Manch einer würde Istanbul als anstrengend, manch anderer als die eindrucksvollste Stadt der Welt bezeichnen.
Etwa 3000 Kilometer davon entfernt, hier in Mannheim, gibt es ein Viertel, das liebevoll „Little Istanbul – Kücük Istanbul“ genannt wird. Es gibt wohl niemanden, der die Straßen hinter dem Markplatz nicht kennt.
Prachtvolle Hochzeitskleider schmücken die Schaufenster, es brutzelt und zischt aus den vielen türkischen Restaurants, die aneinanderreihen.
Der Vorplatz vor der rot-braunen Pfarrkirche St. Sebastian wirkt fast schon idyllisch, es liegen Welten zwischen „Kücük Istanbul“ und der Rest der Stadt.
Musik dröhnt aus den Friseusalons
In den Quadraten nördlich und westlich des Marktplatzes – G 1, H 1, G 2, H 2 – taucht man in den Orient ein. Versteht, wieso viele Türken ihr Heimweh hier stillen. Aus den Friseuren dröhnt türkische Musik, die Männer unterhalten sich herzhaft, während sie sich rasieren lassen und ab und zu an einer Tasse türkischem Tee nippen.
Wie auf den vielen Wochenmärkten in Istanbul drehen und wenden Menschen Obst und Gemüse in den Händen. Schnuppern an purpurfarbenen Auberginen und grünen Äpfel und packen sie in durchsichtige Plastiktüten.
Weiter die Straße entlang kann man bei zahlreichen Schmuckhändeln Goldtaler kaufen, die traditionell zu Hochzeiten geschenkt werden.
Aus der Metzgerei fragt der Verkäufer herzlich „ne istersin abim?“, „Was darf’s für dich sein, mein Bruder?“. In den vielen kleinen und großen Cafés trinken ältere Damen schaumigen Mokka, kaufen bei „Taksim“ süßes Gebäck wie Baklava und Kurabiye ein.
Menschen aus ganz Südwestdeutschland und dem Elsass kommen hierher. Zum Einkaufen von Dingen, die man sonst kaum im Land finden kann.
Was gleicht, was fehlt
Das Heimweh, es wird gestillt. Für eine kurze Zeit. Das Laute, das Chaotische – das macht auch „Kücük Istanbul“ so besonders. Aber wer einmal in Istanbul war, der vermisst in den Straßen hinter dem Marktplatz gewisse, vielleicht für manche Menschen nebensächliche, Dinge.
Wie die vielen Hunde und Katzen, die sich auf den Straßen von Istanbul herumtreiben. Das Echo der Gebete, die aus den Moscheen erklingen.
Den „Simitci“, der mit seinem kleinen, gläsernen Wagen herumfährt und die türkische Variante der Brezel verkauft – mit Sesamkörnern. Einen Besuch wert ist das „türkischste“ Viertel von Mannheim aber allemal.
Wer selbst einmal türkisches Essen kochen möchte, für den hat unsere Autorin Miray ein Rezept für „Kisir“ und spannende türkische Traditionen für euch aufgeschrieben.
Türkische Traditionen
> Vor allem ältere Damen bringen zu Besuchen meist ihre eigenen Hausschuhe mit.
> Der Bräutigam und seine Familie holt die Braut an ihrem Hochzeitstag wortwörtlich mit Trommeln und Trompeten von Zuhause ab.
> Die Nabelschnur eines Neugeborenen wird begraben – zum Beispiel in den Garten von Universitäten. Der Aberglaube ist, dass das Neugeborene dann später an dieser Universität auch studieren wird. Es gibt Frauen, die extra an renommierte Unis (Oxford oder Cambridge) reise, um die Nabelschnur ihres Neugeborenen zu verbuddeln.
> Das große, blau-weiße Auge, das viele kennen, schützt vor bösen Blicken. Sprich neidische Menschen können einem nicht schaden, wenn man einen „nazar boncugu“ trägt.
REZEPT „KISIR“
Börek mit Spinat und Feta von der Bäckerfiliale um die Ecke oder Couscous für 2,29 Euro aus dem Tiefkühlregal – wir kennen sie. Die vielen türkischen Gerichte, die einem beim Einkaufen immer wieder begegnen. Meistens schmecken sie nicht so gut wie erhofft. Und doch wissen viele nicht, dass man sie auch ganz leicht selbst zubereiten kann.
Wie auch den Couscous – auf Türkisch kisir. Und natürlich gibt es das Rezept für einen türkischen Kisir in hundert Variationen, zum Beispiel mit Gurke, Granatapfel oder Minze. Aber ganz klassisch wird er so zubereitet:
- > Bulgur, fein
- > Tomaten
- > Paprika
- > Schnittlauch oder Frühlingszwiebel
- > Petersilie
- > Domates Salcasi (türkischer Tomatenmark)
- > Zum Würzen: Zitronensaft, Salz, Pfeffer, Paprikapulver, etwas Olivenöl
Eins vorab. Dieser Salat entsteht durch „Ausprobieren“. Man muss ständig abschmecken, ein „1 Teelöffel davon“ gibt es nicht. Dieser Salat ist auch sehr variationsreich. Wer weniger Tomaten aber dafür mehr Paprika haben möchte, der kann das gerne so machen. Ein Glas Bulgur entspricht etwa drei Portionen.
(1) Für den Bulgur Wasser kochen. In einen Behälter mit einem Deckel ein Wasserglas Bulgur verteilen. Eineindrittel heißes Wasser auf den Bulgur schütten, Deckel verschließen. Nach etwa zehn Minuten wird der Bulgur weich. Auf diesen weichen Bulgur einen gehäuften Esslöffel Salca, also Tomatenmark, hinzufügen und diese mit dem Bulgur so lange vermengen, bis sie eine rötliche Farbe annimmt und klumpenfrei wird. Der weiche Bulgur ist die Grundlage für den Salat.
(2) Tomaten fein hacken. Traditionell entfernt man das Fruchtfleisch, sodass der Salat nicht zu matschig wird. Ebenso Paprika, Petersilie und Frühlingszwiebeln ganz fein hacken. Alles mit dem Bulgur vermengen. Jetzt kommen wir zu dem „Ausprobieren und Abschmecken“-Part. Den Saft einer ganzen Zitrone pressen, den Kisir mit Olivenöl, Salz, Pfeffer und Paprikapulver abschmecken. Fertig. Der Salat schmeckt sehr frisch und hält auch lange satt. In einem verschlossenen Behälter hält er etwa eine Woche. Und schmeckt garantiert besser als der fertige Couscous aus dem Supermarkt.