„Der Alltag zählt“
Adonis Malamos ist 23 Jahre alt, als ihn sein Lebensweg zum ersten Mal nach Mannheim führt.
Eigentlich soll die Quadratestadt nur eine Zwischenstation auf den Pfaden nach Amsterdam sein – doch der Charme dieser progressiven Stadt bannt den gebürtigen Griechen und lässt Ideen sprießen.
Dass Adonis mit dem Café Prag heute, gute drei Jahrzehnte später, einen der wichtigsten gastronomischen Punkte der Stadt sein Eigen nennt, ist daher kein Zufall – und gleich ein doppelter Wink packender Geschichte.
Zwei Geschichten treffen aufeinander
Zum einen, weil allein das Gebäude im Quadrat E4 einen Mythos der Vergangenheit in sich trägt, wie kaum eine zweite Immobilie.
Bis 1899 residieren im Hotel Portugal auf drei stolzen Stockwerken die feinen Damen und Herren der bürgerlichen Gesellschaft, zur Jahrhundertwende macht der imposante Bau der Produkt- und Getreidebörse Platz.
Doch auch in den Folgejahrzehnten erlebt der Ort neben dem Rathaus von Zigarrenhandel, Schneiderhandwerk und Zimmermannswerkstatt Zeiten reger Betriebsamkeit.
Zum anderen, imponiert auch die Kaffeehauskultur per se, die bei Adonis schon in der DNA angelegt war.
Als jüngstes Kind einer Gastronomie-Familie wächst der junge Adonis quasi im Café seiner Eltern in einem griechischen Dorf auf, erledigt dort seine Hausaufgaben, hilft seinen Eltern, bewirtet seine ersten Kunden und übernachtet auch regelmäßig zwischen Theke und Gastraum.
„Da haben wir drei Stühle zusammengeschoben, dass mein Kopf nicht runterfiel, eine Decke drüber – und das war’s“, wie der Cafétier augenzwinkernd auf eine Zeit zurückblickt, in der man das festliche Mittagessen für ein kleines Entgelt beim Bäcker im Ofen braten ließ.
Zwischen Biederkeit und Progressivität
Zugegeben: In Mannheim angekommen, erlebt Adonis die deutsche Geschäftspolitik erst einmal als „bieder und konservativ“ – denn die Kontraste sind immens.
Während in Griechenland die Sperrstunde eher als unverbindliche Empfehlung gilt und Geschäfte selbst sonntags ganztägig geöffnet haben, klappen wochenends in Mannheim um 16 Uhr die letzten Einzelhändler ihre Bordsteine nach oben – und selbst das Nachtleben endet meist jäh um 2 Uhr in der Frühe.
„Das war ein absoluter Anachronismus, gegen den ich viele Jahre ankämpfen musste“, wie Adonis Malamos entschlossen berichtet.
Ob er hungrigen Partygängern an einem frühen Samstagmorgen im Kultlokal „Akropolis“ als Kellner noch Lamm servierte, oder anschließend im „Café Journal“ mit seiner ganz eigenen, menschlichen Art zu glänzen lernte:
Man schätzte die Offenheit dieses tief lebendigen Mannes, der es auf geradezu magische Art und Weise verstand, die Wünsche der Kunden zu lesen – und dabei auch noch für Flair zu sorgen.
Eine Gründung voller Herausforderungen
Es sind Talente, die ihm auch nach der Jahrtausendwende helfen, als es für den damals 42-Jährigen geschäftlich plötzlich um alles geht.
Denn als der letzte Ladenbesitzer in E4 plötzlich verstirbt und sich Adonis in die hohen Decken und historischen Holzverkleidungen, den Charme der Jahrhunderte und die strategisch gute Lage verliebt, lassen ihn die Visionen eines eigenen Cafés nicht mehr los.
„Ich wusste einfach, dass diese Stadt ein gesundes Potential für eine solche Art Café hat. So etwas hast du nicht in Ludwigshafen, nicht in Heidelberg, eigentlich nirgends in der Region. Ich musste diese Chance einfach ergreifen“, wie sich der bekennende Hermann Hesse-Fan erinnert und gleichzeitig wusste, dass die größte Aufgabe noch auf ihn zukommen sollte.
Denn zwischen Granit, Marmor, Kronleuchtern und Stuckwänden warteten nicht nur tausende Arbeitsstunden an Renovierungsarbeiten auf den Gastronom und seine fleißigen Mithelfer.
Auch der Denkmalschutz war zu beachten und legte dem Gründer einige Steine in den Weg, um aus dem Café Prag einen authentischen Ort gelebter europäischer Kultur werden zu lassen.
Man erntet, was man sät
Wer heute, traditionell zwischen 10 und 18 Uhr, einen Abstecher ins Café Prag unternimmt, um ein handgemachtes Focaccia zu essen, ein Stück Kuchen der Konditorei Herrdegen zu genießen oder sich einen Espresso zu genehmigen, der hier stilecht noch mit Wasser gereicht wird, taucht dementsprechend ein in eine Welt, in der Zeitungen statt Tablets ausliegen und Musik aus 5000 CD’s denn via Spotify zu hören ist.
Es entsteht so ganz selbstverständlich ein purer, reduzierter und geradliniger Charakter, der von Taxifahrern und Studenten ebenso geschätzt wird, wie von Künstlern und Intellektuellen.
Vielleicht kommt dieses besondere Etwas auch von Malamos‘ Reisen quer durch Europa, bei denen er die schönsten Kaffeehäuser von Paris bis Budapest in Wort und Bild festhielt – und dabei auch an Kulthäusern wie dem italienischen Caffè Meletti in Ascoli Halt machte, das einst Legenden wie Dustin Hoffman oder Ernest Hemingway bewirtete.
Wer sich in Erinnerung ruft, dass Adonis‘ Café im Laufe der Jahre seinerseits zum Kunstort wurde, den Jazzmusiker wie Thomas Siffling oder Olaf Schönborn ebenso zu schätzen wissen, wie Fotograf Horst Hamann oder Filmemacher Rudij Bergmann, könnte mit dem Café Prag fast von einem Mannheimer Meletti sprechen – auch, wenn Adonis diesen Vergleich mit seiner bescheidenen Art vermutlich kaum stehenlassen würde.
„Der Zauber eines Cafés ist: Du hast zwei Euro zu viel in der Tasche und Zeit, die du an einem schönen Ort verbringen willst. So wird das Kaffeehaus zu einem Ort, an dem immer wieder klar wird – der Alltag zählt.“
Ein Prinzip, das im Café Prag ohne Zweifel auf die schönste denkbare Art und Weise mit Leben gefüllt wird.
- Café Prag
- E 4, 17 | 68159 Mannheim
- Mo – Sa 10 – 18 Uhr | So 13 – 18 Uhr
- facebook.com/seit2002