Mehr als nur ein Fotograf
Marcus Walter bietet unter dem Namen iphotokunst in Mannheim Kurse für Smartphone-Fotografie an. Der Weg dorthin war lang.
Eindrücke der Indienreise
Der ältere Mann blickt finster in die Kamera. Sein voller, weißer Bart fängt die Blicke des Betrachters als erstes. Die zusammengekniffenen, blauen Augen, sie wirken bedrohlich. Das Foto ist scharf. Hinter dem Mann, im Hintergrund des Bildes, ist unscharf ein zweiter zu erkennen. Ebenfalls mit orangenen Turban – aber eben unscharf.
Fotografiert hat die eindrückliche Szenerie Marcus Walter auf seiner Indienreise. Die Qualität des Fotos ist hoch. Gestochen scharf, unterschiedliche Bildebenen – eben so, wie ein Fotograf mit einer hochwertigen Kamera die Szenerie abbildet.
Doch Marcus hatte keine Kamera zur Hand. Mit einer normalen, einfachen Smartphonekamera hat er die Szene erfasst. Marcus ist Fotograf. Handy-Fotograf. In Mannheim bietet der 49-Jährige Kurse für Smartphone-Fotografie an.
Ideensammler und Menschenfänger
Wer sich mit ihm unterhält, der merkt schnell: Der Nußlocher brennt für das, was er tut. Seine Euphorie steckt an. „Ich bin ein Ideensammler und Menschenfänger“, sagt er über sich selbst.
Dabei hat er viel mehr zu erzählen, will viel mehr vermitteln als nur die bloße Kunst des Fotografierens. Marcus will Lebenserfahrung weitergeben, von der er bereits so viel gesammelt hat. Denn nur über Umwege kam er überhaupt zur Handyfotografie.
Umwege, die genauso von Erfolgen wie auch von Krisen gezeichnet waren. Als „Vertriebsdirektor bei einem großen Finanzdienstleiter“ habe Marcus „früher sehr viel Geld verdient“, erinnert er sich.
Doch Geld, das merkt er nach einigen Jahren des beruflichen Erfolgs, ist für ihn nicht alles. Macht ihn langfristig nicht glücklich. Ganz im Gegenteil: „Irgendwann merkst du, dass die Palmen am Strand auch nur Bäume sind.“
Wertvolle Erfahrungen im Kloster
Ausgebrannt und mit psychischen Problemen wendet er sich von seinem Beruf ab. Nimmt sich eine Auszeit. Sucht sich in einer Klinik professionelle Hilfe. „Ich bin freiwillig einen Weg gegangen, vor dem viele zurückschrecken“, sagt er heute: „Ich habe mir selbst eine Schwäche eingestanden.“
Weil er in leitender Position angestellt ist, verdient er in seiner Auszeit dennoch weiter viel Geld. „Ich musste relativ wenig machen und habe damit Geld verdient“, erzählt, der das in dieser Zeit das Leben genießende, Marcus Walter. Frauen, Reisen, teure Autos, aber auch weitere Lebens- und Sinnkrisen bestimmen in dieser Zeit seinen Alltag.
Doch 2014 wird sein Vertrag aufgelöst, die Geldquelle versiegt. „Ich konnte von dem Ersparten ganz gut weiterleben, aber es wurde eben immer weniger“, erinnert er sich an die Zeit.
Heute, etwa 15 Jahre später, spricht Marcus davon, dass in dieser Zeit „mein neues Leben angefangen hat“.
Auch um wieder eine Struktur in seinen Alltag zu bekommen, geht er für mehrere Monate in ein Kloster. Von Luxus – hier keine Spur mehr. „Das war eine ganz wertvolle Erfahrung“, sagt Marcus. „Im Kloster wirst du als Person geliebt und respektiert, und nicht, weil du eine teure Uhr trägst.“
Während seines Aufenthalts macht er sich Gedanken darüber, wie es weitergeht. Das Geld wird langsam knapp, der 49-Jährige muss wieder verdienen. „Ich war immer schon ein kreativer Mensch“, charakterisiert er sich.
Auch für Fotografie habe er immer ein Faible gehabt. „Ich habe immer schon mit Fotos Momente festgehalten.“ Fotografiert habe er nicht, stellt er klar. Ihm sei wichtig gewesen, den Moment und die Erinnerung festzuhalten. „Belichtung, Schärfe und anderes war unwichtig.“
Kurse für Smartphone-Fotografie
Ein Zufall und technischen Fortschritte bringen ihn dazu, Kurse für Smartphone-Fotografie zu geben. Nach seinem Klosteraufenthalt reist Marcus fast ein Jahr lang mit dem Rucksack durch Südostasien – und fotografiert mit seinem iPhone.
Als Alleinreisender beschäftigt er sich während der Reise intensiv mit Fotografie. „Ich habe Sachen gelernt, meine Webseite ins Leben gerufen und Bilder gepostet“ sagt der heute 49-Jährige und stellt klar: „Damals stand noch nicht zur Diskussion, dass sich daraus eine Geschäftsidee entwickeln lässt.“
Eine in Bangkok lebende Deutsche wird auf seine geposteten Fotos aufmerksam und fragt über Facebook, ob er ihr einen Kurs geben kann. Spontan gibt der Nußlocher ihr seinen ersten Workshop – und wird dafür bezahlt.
Angst vorm Scheitern
Zurück in Deutschland dauert es noch mehr als ein Jahr, bis er seinen ersten offiziellen Smartphone-Fotokurs in Mannheim anbietet. „Die Geburt war lange und der Schmerz groß“, zieht Marcus Walter einen symbolischen Vergleich zu der Zeit, die erneut auch von Selbstzweifeln geprägt ist. Unsicherheit und Angst vor dem neuerlichen Scheitern begleiten das Planungsjahr.
Charakterköpfe fotografieren
Von dieser Unsicherheit ist in Gesprächen heute kaum mehr etwas zu spüren. Marcus ist von sich überzeugt – und besitzt die Fähigkeit, auch andere von sich zu überzeugen. Überzeugen, sich auf den Marktplätzen von ihm fotografieren zu lassen. Körperliche Nähe zuzulassen.
„Mit dem Handy kannst du nicht auf große Entfernung fotografieren, sondern musst nah ran an die Leute, um Charakterköpfe so zu fotografieren wie ich das will.“
Überzeugen, an seinen Kursen teilzunehmen. Und irgendwie möchte Marcus Walter wohl auch davon überzeugen, in Krisen weiterzukämpfen. Nicht aufzugeben. So wie auch er nie aufgegeben hat. „Ich bin nun in der besten und glücklichsten Lebensphase, obwohl ich materiell viel weniger habe als früher.“
- Marcus Walter | iphotokunst