Der Beginn wunderbarer Freundschaften
Der Verein „Start with a friend“ hat die Mannheimer Studentin Agneta und den aus Syrien stammenden Geflüchteten Ahmed einander vorgestellt. Sie wollte sich engagieren, er ankommen und sein Deutsch verbessern. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die hält.
Agneta und Ahmed, ihr seid seit Juni 2017 ein Tandem bei SwaF Mannheim. Was euch durch den Kopf ging, als ihr euch das erste Mal gesehen habt?
Agneta: Wie man bei Ahmed sieht, ist er schon ein Checker (beide lachen), aber er ist trotzdem sehr lieb und so war er auch beim ersten Treffen. Er war mir gleich sympathisch. Zum Glück redet er gerne, so wie ich auch, also gab es auch keine peinlichen, ruhigen Momente.
Ahmed: Das erste Mal haben wir uns auf dem Paradeplatz zum Eis essen getroffen. Es war schön. Ich habe gedacht, dass sie ein hübsches Mädchen ist. Als ich damals das Interview mit SwaF gemacht hatte, habe ich gesagt, dass ich ein Mädchen als Tandempartnerin will. Weil ich gerne viel unternehme, wie zum Beispiel in die Disko gehen und so was.
Agneta: Und schwätzen.
Ahmed: Ja (lacht). Und als ich sie das erste Mal gesehen habe, dachte ich: „Das ist mein Traum!“
Agneta: Also war es quasi ein perfektes Match. Yasir (ein Freund von Ahmed und Gründer von SwaF Mannheim, Anm. d. Red.) wusste, dass er ein Mädchen braucht, weil die auf jeden Fall gesprächiger sind, als Jungs. Meistens zumindest.
Wann und warum seid ihr nach Mannheim gekommen?
Agneta: Ich bin im Oktober 2016 zum Studieren nach Mannheim gekommen. Am Anfang habe ich in der Neckarstadt gewohnt. Zuerst habe ich noch ein anderes Studium angefangen und ein Jahr lang studiert, bevor ich zu Wirtschaftspädagogik gewechselt habe.
Ahmed: Ich bin vor drei Jahren mit meinem Neffen von Syrien nach Deutschland gekommen und kam sofort nach Ludwigshafen. Dort habe ich direkt gewohnt und eine Ausbildung zum Zahntechniker angefangen und bin dortgeblieben. Das wurde alles von der Agentur für Arbeit organisiert. Ich habe angefangen die deutsche Sprache zu lernen. Über Zahntechnik wusste ich schon etwas, da meine Cousine in meinem Heimatland ein Labor hatte.
Und wie habt ihr dann zu SwaF gefunden?
Ahmed: Mein Freund Yasir, mit dem ich damals zusammengewohnt habe, hat mir davon erzählt. Dann habe ich mich angemeldet und kurze Zeit später hat er ein Tandem für mich gefunden.
Agneta: Nachdem ich ein halbes Jahr in Mannheim war, habe ich glücklicherweise schon von SwaF gehört. Das Witzige war, dass ich damals in meiner Heimat im Allgäu ein Podcast darüber gehört. Da ich aus einer ländlichen Region komme, habe ich schon befürchtet, dass ich dort keinen Zugang dazu haben werde. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich in den sozialen Netzwerken die Anzeige vom ersten SwaF-Infoabend an der Uni Mannheim gesehen habe. Da bin ich gleich hingegangen und habe gesagt „Ja, ich bin dabei!“ und mich noch am selben Abend angemeldet. Nach und nach wurde ich dann ins Team aufgenommen.
Und was motiviert euch, bei SwaF mitzumachen?
Ahmed: Ich mag es, die andere Kultur kennenzulernen. Jetzt bin ich auch seit einem Jahr im SwaF-Team. Ich kenne die Probleme, die Flüchtlinge haben. Was sie brauchen, ist Kontakt mit den Leuten. Es gibt so viele Freunde von mir, die keine Freunde hier in Deutschland haben. Deswegen finde ich das SwaF-Programm cool. Das ist eine große Hilfe und ich möchte den Leuten gerne helfen, wo ich kann.
Agneta: Für mich gibt es viele Gründe. Einmal den persönlichen Grund: einfach den konkreten Kontakt zu haben. Und andererseits weiß ich auch, wie es ist, wenn man im Ausland ist und keinen Kontakt zu den Einheimischen hat. Als ich Aupair im Ausland war, habe ich zwei Monate gebraucht, bis ich einen Kanal gefunden hatte, um Leute kennenzulernen. Für die lange Sicht wünsche ich mir, dass sich in Zukunft nicht zwei Parallelgesellschaften nebeneinander entwickeln.
Wie sieht das aus konkret aus, wenn ihr euch als Tandem trefft? Was macht ihr dann so gemeinsam?
Ahmed: Wir unternehmen sehr viel, zum Beispiel habe ich schon arabisch gekocht.
Agneta: Dann waren wir mal bei einem Freund von dir. Dort haben wir auch gegessen. Einmal habe ich Karten für ein Handballspiel in der SAP-Arena bekommen. Da war eine ganz große Gruppe von SwaF dabei. Als Community-Event waren wir auch schon Schlittschuh fahren, auf dem Weihnachtsmarkt und der Mannheimer Messe.
Ahmed: Sonst gehen wir auch durch die Stadt spazieren oder in ein Café Shisha rauchen.
Agneta: Oder einmal habe ich eine Hausparty geschmissen. Danach sind wir dann noch ins Chaplin’s gegangen.
Das klingt ja nach einer bunten Mischung. Wie oft trefft ihr euch denn so?
Ahmed: Wenn wir Zeit haben. (lacht)
Agneta: Am Anfang mehr. Jetzt war ich gerade im Ausland, aber sonst so, wie mit anderen Freunden auch. Etwa einmal im Monat.
Ahmed: Manchmal auch alle zwei Wochen. Es kommt drauf an.
Wenn ihr an die vergangenen Monate zurückdenkt: Was war bisher euer gemeinsames Highlight?
Agneta (überlegt, wendet sich dann zu Ahmed): Also ich fand das Schlittschuh fahren mit euch ganz witzig, weil ihr das alle noch nie gemacht habt (Ahmed lacht). Du hast das auch noch nie davor gemacht oder?
Ahmed: Ne. (lacht) Heidelberg auf dem Schloss war auch cool. Und die Party in deiner neuen Wohnung war mein Highlight.
Wie habt ihr euch eigentlich von Anfang an verständigt?
Ahmed: Auf Deutsch.
Agneta: Ja, Arabisch spreche ich leider nicht. (beide lachen)
Ahmed: Ich will auch nur auf Deutsch reden, damit ich es verbessern kann. Als wir uns kennengelernt haben hatte ich schon einen Sprachkurs gemacht und Sprachniveau A2. Aber es war schlimmer als jetzt (beide lachen).
Agneta: Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, dass es ein großes Problem gewesen wäre.
Jetzt habt ihr schon viel miteinander erlebt und kennt euch eine ganze Weile. Wie würdet ihr euch gegenseitig in einem Satz beschreiben?
(beide überlegen)
Ahmed: Sie ist jetzt nicht mehr nur eine Freundschaft, sondern – darf ich das sagen – vielmehr ein Kumpel?
Agneta (zu Ahmed): Ist Kumpel höher als Freundschaft bei dir?
Ahmed: Ja. (beide lachen)
In Deutschland ist das eher andersherum.
Ahmed: Wirklich?
Ja. (beide lachen) Dann mal noch eine Frage zu Mannheim. Was gefällt euch hier und was vermisst ihr?
Agneta: Mir gefällt an Mannheim, dass es so bunt ist. Dass man so viele Möglichkeiten hat und es so viele Kulturen gibt. Dass es dadurch so offen ist und man nicht schief angeschaut wird, wenn man irgendwas bestimmtes mag oder auf was Lust hat. Aber mir fehlt in Mannheim die Natur, weil ich halt doch vom Land komme. Aber der positive Aspekt überwiegt auf jeden Fall.
Ahmed: Eigentlich gefällt mir Agneta in Mannheim (beide lachen). Ansonsten, wie sie es gesagt. Natürlich fehlt mir meine Familie sehr, aber das ist normal. Ich habe sie fünf Jahre lang nicht gesehen. Das war ganz schwierig.
Habt ihr bisher (kulturelle) Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen euch festgestellt? Und wie geht ihr damit um?
Agneta: Also ich mag das syrische Essen. Wobei das jetzt eher ein persönliches Ding ist. Ich finde es schwierig, das auf die Kultur zu beziehen.
Ahmed: Ja, die Kultur ist ganz anders.
Agneta: Also, wenn ich jetzt an die Kultur denke, gibt es eher keine Gemeinsamkeiten, aber wenn ich an uns beide denke, gibt es sie auf jeden Fall. Wir sind beide offen und haben Lust, was mit Leuten zu unternehmen. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass die syrische Kultur sogar sehr ähnlich zur deutschen ist. Dass beide sehr aufmerksam und freundlich sind. Halt gute Manieren haben. Da sind wir uns sehr ähnlich. Die Syrer achten auch sehr auf ihr Äußerliches und sind immer sehr gepflegt. Sie haben immer so eine perfekte Bartrasur. Das war bei jedem Syrer, den ich getroffen habe (Ahmed lacht).
Ahmed, wie war es für dich am Anfang, als du nach Deutschland kamst?
Ahmed: Eigentlich waren so viele Sachen komisch. Alles war ganz anders. Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich eine Einladung zu einer Party im Limberger Hof bekommen. Ich war mit einem deutschen Freund dort. Und dort waren alle Leute deutsch, außer ich. Dann kamen die Leute zu mir und haben „Servus“ gesagt. Damals war mein Deutsch noch nicht so gut und ich kannte nur „Hallo, wie geht’s dir?“ und sowas. Ich habe dann mit „Ahmed“ geantwortet. Dann kam ein Mädchen zu mir und hat auch „Servus“ gesagt. Ich habe wieder „Ahmed“ gesagt. Ich dachte, dass „Servus“ ein Name ist (beide lachen). Es kamen noch mehrere Leute zu mir und haben sich auch so vorgestellt. Dann habe ich meinen Freund gefragt, ob hier alle Leute „Servus“ heißen. Er hat gelacht und mir gesagt, dass „Servus“ „Hallo“ bedeutet. Das war bisschen komisch. Dialekt ist sehr schwierig, das kann man eigentlich nicht verstehen. Im Sprachkurs lernen wir nur Hochdeutsch.
Dann habe ich noch eine herausfordernde Abschlussfrage für euch: Wenn ihr an Heimat denkt, was bedeutet das für euch?
Ahmed: Heimat… ja … ich habe mein Heimatland verloren, aber ich habe ein anderes hier in Deutschland gefunden. Aber eigentlich kann man nicht erklären, wie Heimat ist. Ich habe schon mein Heimatland vermisst und ich hoffe, dass der Krieg beendet wird.
Agneta: Ich finde es auch schwierig zu sagen. Ich denke Heimat muss man auch versuchen mit sich mitzunehmen und sich einzurichten. Also irgendwie versuchen, nicht der vergangenen Heimat nachzutrauern, sondern dort, wo man jetzt ist, schauen, was es hier gibt, das ich als meine Heimat nehmen kann und sich dann darauf fokussieren. Weil manchmal kann man nicht zurück.
Vielen Dank für das offene Gespräch.
- Start with a friend
- Die Initiative SwaF wurde 2015 als gemeinnütziger Verein in Berlin gegründet. Sie entstand aus der Idee sogenannte Geflüchtete und Locals zusammenzubringen.
- Heute ist SwaF in 22 Städten vertreten, darunter auch Mannheim.
- Das Team veranstaltet 1x im Monat Infoabende.
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