Lieber Akteur als Konsument
Eine Frau steht am Fenster, den Blick nach draußen gewandt. Ein Junge spielt im Hof Fußball. Unten links in der Ecke Olivenzweige, rechts oben wieder Oliven, diesmal in Scheiben geschnitten. Tauben fliegen in den Abendhimmel.
Das Mural „Fenster zum Hof“ ist in sanften Farben gehalten: Grün- und Brauntöne, Beige, gedecktes Rosa, Violett, Dunkelrot. „Ich habe die Farben aus der Umgebung aufgegriffen“, erklärt Yannik Czolk, der die Hauswand in der Schanzenstraße im September 2019 für das Mannheimer Stadt.Wand.Kunst-Projekt bemalt hat.
An der Straßenkunst schätzt er die Zugänglichkeit. „Da ist keine Schwelle wie zum Beispiel im Museum oder in der Galerie. Das ist draußen, man geht vorbei, jeder kann es sich anschauen und sich seine eigenen Gedanken machen.“
Außergewöhnlich bodenständig
Der 29-Jährige ist in Bruchsal aufgewachsen. Schon sein ganzes Leben lang malt und zeichnet er. Als Jugendlicher begann er, sich hauptsächlich auf Graffiti zu konzentrieren, hatte viel Kontakt zur Szene in Karlsruhe.
2011 kam Czolk nach Mannheim, um Kommunikationsdesign zu studieren, nach dem Bachelor machte er 2018 noch seinen Master in Mainz mit Schwerpunkt Illustration.
Im Gespräch wirkt Czolk außergewöhnlich bodenständig. Er spricht mit Leidenschaft von der Kunst, aber lebt einen gesunden Realismus.
Zunächst Verkäufer in einem Schuhgeschäft, entschied er sich schließlich dafür, ausschließlich von seiner Kunst zu leben. „Ich weiß, dass es absoluter Luxus ist, von dem zu leben, was man so leidenschaftlich gern macht“, sagt er.
Dabei ist er so ganz und gar nicht abgehoben: „Ich würde natürlich auch sofort wieder im Laden stehen, wenn es finanziell notwendig ist.“
Luxus im materiellen Sinn ist weniger seine Sache: „Ich bin lieber Akteur als Konsument. Wenn ich mich finanzieren kann und mein Leben bestreiten kann, bin ich auf jeden Fall bereit, auf Luxus und Geld in gewisser Weise zu verzichten, für das Innere, die Passion. Das kann man mit Geld gar nicht aufwiegen. Es gibt halt Sachen, die kann man sich nicht kaufen.“
Künstlerfamilie
Das Künstlerische ist in Czolk Familie angelegt. Der Vater ist Gitarrenlehrer und Hobbymaler, der Großvater mütterlicherseits, dessen Namen die Familie auch trägt, war Musiklehrer und Chorleiter, in seiner Freizeit auch Maler und Bildhauer.
„Er hat mich geprägt. Er hat mir klargemacht: Wenn man eine Leidenschaft hat, dann muss man sie ausleben.“ Dass er den ungarischen Namen des Großvaters als Künstlernamen gewählt hat, ist logische Konsequenz.
Vielfalt der Arbeiten
Stilistisch möchte sich Czolk nicht festlegen lassen. „Das ist eine permanente Entwicklung. Wichtig ist mir an meinen Motiven eine ausdrucksstarke Linie, ein eigener Duktus, den man medienübergreifend erkennt.“
Seine Aufgeschlossenheit verschiedenen Medien und Stilen gegenüber, das Handwerkszeug aus Studium und Praxiserfahrung, erlauben es ihm, in unterschiedlichen Bereichen tätig zu sein – erfolgreich.
Graffiti und Wandgestaltung macht einen großen Teil seiner Arbeit aus, aber auch Grafikdesign, Illustrationen, Leinwände. Mit Wasserfarbe, Gouache, Acryl, allen möglichen Stifte, und natürlich der Sprühdose. „Was ich noch nicht in meinen Katalog zähle, ist Ölfarbe. Aber ich bin sicher, dass das auch irgendwann kommen wird.“
Auch wenn es davon abhängt, wie streng die Vorgaben des Kunden sind, unterscheidet Czolk nicht immer zwischen Auftragsarbeit und Selbstverwirklichung: „Wer bei mir etwas in Auftrag gibt, der bekommt hundert Prozent Energie von mir. Ich mache das Projekt zu meinem Ding.“
Das „Fenster zum Hof“ ist leider seit Ende Oktober Geschichte – das Haus wurde abgerissen. Czolk verliert sich nicht in Wehmut: „Ich wusste von Anfang an, dass es irgendwann abgerissen wird.“
- Czolk