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Der Traum von Erdbeeren am Wasserturm

Der Traum von Erdbeeren am Wasserturm

Julia Brinkmann
Bertram und Elena Fischer gehören zu den Mitgründern von Mirkolandwirtschaft e.V. in Mannheim.

„Erdbeeren am Wasserturm, das ist unsere Utopie“, sagt Bertram Fischer. Sein Verein Mikrolandwirtschaft will Mannheim zu einer essbaren Stadt machen – und so Lebensmittelproduktion nachhaltig gestalten.

„Mikrolandwirtschaft“ bedeutet: Kleinteilige Landwirtschaft

Nicht ein Bauer baut eine große Menge Gemüse für alle an, sondern die Konsumenten produzieren selbst. Die drei Mikrolandwirtschaft-Gemeinschaftsäcker liegen in Feudenheim Mitte, Feudenheim Nord und Wallstadt.

Jeder Mikrolandwirt oder jede Gruppe aus Mikrolandwirten – das können bis zu sechs Leute sein – pachtet ein hundert Quadratmeter großes Feldstück auf einem Acker. Dort haben sechs Beetstreifen Platz. Was die Pächter anbauen, ist völlig ihnen überlassen.

Bertram Fischer zeigt stolz sein Wintergemüse. © Julia Brinkmann

Für Anfänger bieten Elena und Bertram Fischer sowie Wolfgang Gutberlet, die drei Vereinsgründer, allerdings eine Saatgutmischung aus Samen von 60 verschiedenen Gemüsesorten an. Tipps zum Einpflanzen bekommen Unerfahrene natürlich auch. Gießkannen, Harken und Spaten stehen für alle Mitglieder bereit.

Ein paar Regeln gibt es trotzdem. Zum Beispiel sollen alle ihren angefallenen Müll nach Hause mitnehmen und dort entsorgen. Und: Pflanzenschutzmittel und andere Chemikalien sind tabu.

Impression aus dem vergangenen Sommer. © Mikrolandwirtschaft

Keine Transportwege und Verpackungen

Nachhaltigkeit wird auf den Mikrolandwirtschafts-Äckern in jeder Hinsicht gelebt. Weil die Pächter ihr Gemüse fast vor der Haustür anbauen, entfallen Transportwege und Verpackung. Das Gemüse ist garantiert regional, sogar lokal, und saisonal.

Auch im Winter werden die Mikrolandwirte problemlos vom eigenen Anbau satt. Rosenkohl, Mangold, Karotten und auch unbekanntere Kohlsorten wie Palmkohl – all das wächst zum Zeitpunkt des ILMA-Besuchs Ende Januar noch in Feudenheim Nord.

Rosenkohl, Mangold, Karotten und auch unbekanntere Kohlsorten wie Palmkohl wachsen zum Zeitpunkt des ILMA-Besuchs. © Julia Brinkmann

„Letztes Jahr hatten wir bis März noch 20 unterschiedliche Gemüsesorten auf dem Acker“, sagt Bertram. Aber auch auf die üppige Auswahl aus dem vorigen Sommer muss man nicht verzichten – wenn man eingemacht hat. Elena und Bertram sind so zum Beispiel ganzjährig mit Tomatensauce versorgt. „Wir kommen eher nicht hinterher mit dem Essen.“

Direkt aus der Erde: Karotten aus eigenem Anbau. © Julia Brinkmann

Natur, Tierwelt und Ackerboden verstehen lernen

Durch den Anbau von Gemüse auf dem eigenen kleinen Acker entsteht ein Bewusstsein für die eigene Ernährung, das man sonst kaum anderweitig erlangen kann, erklärt Bertram. Als Beispiel nennt er: „Auch die krumme Karotte schmeckt verdammt gut, wenn man mitbekommen hat, wie sie entstanden ist.“

So gut wie keine Lebensmittel werden verschwendet. Darüber hinaus lernen die Mikrobauern, die Natur, die Tierwelt, den Ackerboden zu verstehen. Bei manch einem löst das selbst Landwirtschaften zusätzlich ein Umdenken in anderen Lebensbereichen aus: „Eine Familie hat ihren Urlaub auf dem Acker verbracht, anstatt wegzufliegen“, erzählt Bertram.

Im Sommer blüht es hier farbenkräftig. © Mikrolandwirtschaft

Insgesamt 200 Leute haben letztes Jahr Äcker bestellt

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Sebastian von ManSeb in seiner Werkstatt. © Stefanie Afisa

Die Saison 2020/21 beginnt im April. Für 360 Euro im Jahr kann man selbst zum Mikrolandwirt werden – billiger, als für eine sechsköpfige Familie im Supermarkt einzukaufen. Aber natürlich bedeutet selbst Gemüse anzubauen auch Arbeit.

Im Durchschnitt verbringen die Pächter drei bis fünf Stunden pro Woche auf dem Acker. „Im Frühjahr, wenn man säht, ist es natürlich ein wenig mehr. Im Winter dafür einiges weniger, da muss man eigentlich nur noch gießen und ernten“, so Bertram.

Insgesamt 200 Leute – befreundete Pärchen, mehrere Generationen einer Familie, Leute, die sich über ein Matching-Tool auf der Website der Mikrolandwirtschaft gefunden haben – haben letztes Jahr die Äcker bestellt. Fast alle wollen weitermachen.

Gemeinsames Sonnenbaden inmitten von Grün.© Mikrolandwirtschaft

Weitere Äcker in Mannheim und der Region

In Zukunft plant der Mikrolandwirtschafts-Verein, noch weitere Äcker in Mannheim und der Region zur Pacht anzubieten. Aber nicht nur das: „Der Lebensmittelanbau soll noch weiter in die Stadt kommen, auch an Orte, an denen keine Äcker möglich sind. Deswegen haben wir jetzt Gemeinschaftsgärten mit Hochbeeten eingeführt“, erzählt Bertram.

Den ersten gibt es seit Herbst 2019 in Neckarau. Weitere sollen folgen – einige Schulen und Unternehmen haben Interesse angemeldet. Wenn noch mehr Äcker und Gärten entstehen, dann könnte sie vielleicht doch irgendwann zur Wahrheit werden – die Utopie von den Erdbeeren am Wasserturm.

  • Mikrolandwirtschaft – gemeinschaftlicher Gemüseanbau e.V.

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