Mit kleinen Helfern auf Entdeckungstour
Man braucht schon ein gutes Auge, um zu erkennen, was Benedikt Hild eigentlich macht, wenn er auf der Straße liegt oder auf einem Brückengeländer kauert.
Erst wer genau hinsieht, bemerkt die kleinen Figuren, auf die der junge Pfälzer seine Kamera richtet. Warum er das macht, versteht man so lange nicht, bis man sich von ihm ein Foto zeigen lässt.
Aus Staunen wird dann schnell Begeisterung, denn Benedikt setzt Mannheim aus ungewöhnlicher Perspektive in Szene. So wie er unsere Quadratestadt sieht, hat das noch niemand zuvor.
Blick auf das Winzige
Ob am Großkraftwerk, an der Feuerwache oder auf der Lupinenstraße: Der Fotokünstler ist an all jenen Orten anzutreffen, die Mannheim ausmachen.
Little Mannheim nennt Benedikt das Projekt, so heißt er auch auf Instagram. Der Verweis ist klar: Benedikt schaut mit seinen Fotos auf das Kleine.
Und gerade dieser Blick auf das Winzige entfaltet die ganze Schönheit Mannheims, die für Fremde ja tatsächlich leicht zu übersehen ist. Hier gibt es keine romantische Gassen, keinen wilden Wein, sondern laute Straßen und in manchen Vierteln Sperrmüll das ganze Jahr.
Aber der genaue Blick lohnt sich, das zeigen Benedikts Fotos. Wie in einer riesigen Modellbauanlage erkunden seine kleine Figuren unsere Stadt, die Heimat für Hundertausende ist. Das Kleine wirkt bei ihm gigantisch und das ist am Ende ja das, was Leben heißt.
Miniaturfiguren als Souvenir
Vor drei Jahren ist der Vierundzwanzigjährige für das Studium aus der Pfalz nach Mannheim gekommen. Mit im Gepäck hatte er einige Miniaturfiguren, die er einmal als Souvenir in der Hamburger Modeleisenbahnanlage „Miniatur Wunderland“ gekauft hatte.
Die Idee, mit den Figuren Fotos in der zukünftigen Studienstadt zu machen, kam ihm während der Abivorbereitung. „Mit den Figuren wollte ich Mannheim erkunden“, erzählt Benedikt, der seine kreative Ader früh entdeckte und bereits als Jugendlicher an Kurzfilmwettbewerben teilnahm.
Sein erstes Foto machte er schon in seiner ersten Nacht in Mannheim in der Straßenbahnlinie 2. Das Ergebnis überzeugte ihn. Fortan spazierte er durch die Quadrate und suchte nach coolen Fotomotiven, irgendwann ging er auch in anderen Stadtteilen auf Entdeckungstour.
Anfragen und Ausstellungen
Aus dem ersten Foto sind heute über einhundert geworden, doch noch immer lernt Benedikt neue Orte kennen. „Little Mannheim“ wurde zum Selbstläufer.
„Mittlerweile fragen mich Menschen, ob ich nicht an einem bestimmten Ort ein Foto machen könnte“, erzählt er. Die Tipps nimmt er gerne an. Auch die Stadtverwaltung ist schon auf den jungen Künstler aufmerksam geworden, der tagsüber als Informatiker bei der Telekom arbeitet.
Zum hundertjährigen Jubiläum des Herschelbads hat Benedikt eine Ausstellung gestaltet, die im Foyer gezeigt wurde. Für die fünfzehn Fotos ließ er Miniaturfiguren etwa die Steine auf dem Saunaofen erklimmen, eine Plastikballerina auf einem Lüftungsgitter tanzen oder einen Surfer die Dachziegeln hinunter sausen.
4 Stunden, 1 Bild
Viele seiner Fotos veröffentlicht der Pfälzer auf Instagram, aber längst nicht alle. „Auf Insta gibt es ein Überangebot an Bildern“, erzählt Benedikt. Ein Bild schaue man sich dort nur wenige Sekunden an, dann scrolle man weiter.
„Für den Instagram-Algorithmus muss man daher jeden Tag posten, aber das geht mit meinen Bildern nicht“, sagt er. Bis zu 4 Stunden brauche er, bis ein Foto geschossen ist.
Die Zeit für die stundenlangen Spaziergänge, in denen er auf Motivsuche geht, sind da noch nicht mitgerechnet. Seine Bekanntheit habe er Instagram zu verdanken, das weiß er. Seine Fotos sollen aber für mehr als nur den kurzen Moment sein.
Stempel: Streetartkünstler
Doch als Künstler sieht sich der Vierundzwanzigjährige nicht. „Künstler, das ist doch irgendwie ein komischer Stempel“, sagt er.
Mit dem Prädikat Streetartkünstler könnte er sich am ehesten anfreunden, wenn man ihm denn einen Stempel aufdrücken möchte. „Das hat etwas Dreckiges. Ich lege mich ja auch mal auf die Straße“, erzählt er und lacht.
Ob Fotokünstler, Streetartler oder einfach Benedikt, sicher ist: Er brennt für das, was er tut.
Wandkalender und Bildband
Für Benedikt heißt das auch, vollen Einsatz zu geben. Er organisiert eigene Ausstellungen, er hat einen Wandkalender für 2021 entworfen und Mitte November erscheint sein erster Bildband, den er ohne Verlag herausgibt.
Das Geld dafür hat er über Crowdfunding gesammelt. Das notwendige Knowhow für die Buchgestaltung hat er sich im Internet selbst beigebracht. „Ich möchte keinen Verlag im Hintergrund haben, der mitbestimmt“, sagt er. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch, erste Buchhandlungen haben schon bestellt.
„Dass das alles möglich ist, hätte ich niemals gedacht“, erzählt er. Am Ende ist Benedikt also vor allem eines: bescheiden. So bescheiden, wie anspruchslos die Helden seiner Fotos sind.
„Vielleicht findet in dreißig Jahren ja mal jemand mein Buch auf einem Dachboden“, sagt er und grinst. Das wäre eine schöne Vorstellung.
Bis dahin sehen wir aber hoffentlich noch viel von dem jungen Talent, das seine Liebe zu Mannheim so wunderbar in Fotos ausdrückt.
- Little Mannheim
- Der Bildband ist ab sofort erhältlich!
- little-mannheim.de
- facebook.com/LittleMannheim
- instagram.com/littlemannheim